Keine Asylpolitik ohne Unmenschlichkeit – Warum die Brutalität der EU-Grenzen zum Humanismus dieser Gesellschaft gehört

Von Rechts wegen rechtlos

Während gemeinsames Fahrradfahren “gegen Rechts” nachdem ein paar Irre vor einer Moschee gesungen haben ein unglaubliches Mobilisierungspotential hat, hält
sich die Beteiligung der Ultra-Humanisten und Demokratiefetischisten bei einer Demo gegen die unsägliche neue europäische Asylreform stark in Grenzen. Begegnet wurde der Demo stattdessen mit Hitlergrüßen und vollständigen Nervenzusammenbrüchen begleitet von Schreikrämpfen, derjenigen, die in ihrem Hass gar nicht mehr an sich halten konnten. Eigentlich bräuchte man zum Verständnis des Zustandes dieser Gesellschaft nicht viel mehr zu sagen, wir tun es im Folgenden aber trotzdem.

Im Jahr 2015 wurde der deutsche Willkommenssommer ausgerufen. Während die einen Willkommensfeste organisierten oder winkend am Bahnhof standen, zog ein anderer Teil der Deutschen mit Fackeln und Mistgabeln vor die Häuser der Angekommenen und wurden dafür von ersteren als “Pack” bezeichnet. Während der rassistische Mob der Abstiegsgeängstigten den Angekommenen die wenigen Groschen der Sozialhilfe und eine schimmlige Massenunterkunft neideten, war dem hellen Teil Deutschlands klar, dass die Pogromstimmung gegen Geflüchtete in irgendwelchen deutschen Käffern kein gutes Bild abgibt. Der Sommer, an dem man sich für ein Mindestmaß an Empathie immer wieder auf die Schultern klopfte, war schnell vorbei. Es folgte die Rückkehr zur Kälte als Grundprinzip der bürgerlichen Subjektivität (Adorno). Seitdem wird das Asylrecht nicht nur durch rassistische Mobilisierungen, sondern von einer zunehmenden autoritären Verstetigung deutscher und europäischer Politik angegriffen. Die Außengrenzen wurden hochgerüstet, Pushbacks an Land und auf dem Wasser ermordeten mehr, als es sich der Mob von Heidenau, Greiz oder sonstwo hätte erträumen können. Ihre konformistische Rebellion hatte Erfolg. Der Souverän erhörte dankbar ihr Flehen und konnte endlich ins Recht setzen, wozu sie ihn mit ihrem Treiben erfolgreich ermutigt hatten.

Zu erinnern sei daran, dass das deutsche Grundrecht auf Asyl ursprünglich eine Konsequenz aus der nationalsozialistischen Verfolgung war. Da es das Mindeste war, das man den überall hin geflüchteten als Wiedergutmachung anbieten konnte, blieb es bestehen solange es auch wirklich keinen Groschen kostete. Geflüchtete aus dem Ostblock wollte man anfangs noch gerne aufnehmen, konnte man sie doch sehr gut als politische Trophäen im Kampf gegen die Sowjetunion gebrauchen. Als man dann mit dem Fall des Ostblocks bemerkte, dass nun tatsächlich eine beachtliche Menge an Menschen von diesem Grundrecht Gebrauch machen wollte, schaffte man das Grundrecht auf Asyl faktisch kurzerhand mit der Grundgesetzänderung Anfang der 90er ab. Auch in diesem Fall ging der Gesetzesänderung eine rassistische Mobilisierung voraus, welche in Mölln, Solingen, Rostock-Lichtenhagen und weiteren Städten ihre Opfer einforderte.

Mit der graduellen Entstehung des Schengenraums konnte man zum Glück aber guten Gewissens unter Verweis auf die nötige Europäisierung des Asylverfahrens wie sie die Dublin-Abkommen festhalten, weiter an der Eindämmung der Asylbewerberzahlen arbeiten. Artikel 16a des Grundgesetzes legte ab 1993 fest, dass Geflüchtete aus sog. ‚sicheren‘ Drittstaaten sofort abgeschoben werden müssen. Weil alle Mitgliedstaaten der EU prinzipiell erstmal als sicher gelten, wird de facto der allergrößten Mehrheit der Asylsuchenden das Recht auf Asyl verwehrt. Gleichzeitig sieht man sich so trotzdem in die Lage versetzt, die nötige Menschlichkeit gegenüber Geflüchteten zu beweisen. Dürfen sie schon kein Asyl beantragen, so sind sie doch immerhin Objekt der deutschen Gastfreundschaft d.h. der temporären Duldung. Und werden sie abgeschoben, dann zumindest in sichere Staaten. Wie wir aber alle wissen sind die Einschätzungen darüber, welcher Staat als sicher gilt, mehr als fragwürdig. Dieses Bild der Menschlichkeit versucht man auch bei der Rechtfertigung des neuesten Entwurfs europäischer Sicherheitspolitik, der Reform des „Gemeinsamen Europäischen Asylsystem“ aufrecht zu erhalten. Das Asylschnellverfahren, das ein Teil dieses Systems sein soll, wird öffentlich z.B. als Win-Win Situation für beide Seiten dargestellt. Dieses Verfahren garantiert eben, dass Geflüchtete nicht ewig in Schlangen stehen und in Auffanglagern verharren müssen, bis über ihr Asylersuchen entschieden wurde, sondern wie Menschen möglichst schnell und zwar im Idealfall ganz ohne Asylantrag in Staaten abgeschoben werden können, in denen sie dann vom Humanitätsanspruch freigeworden ungesehen verrecken sollen.

Die Möglichkeit, in Bezug auf Asylverfahren überhaupt von Menschlichkeit zu sprechen ergibt sich daraus, die Rede von der Menschheit zu scheuen. Denn die Menschheit impliziert eine Universalität die die Existenz von Grenzen nicht mehr rechtfertigen könnte und damit eben auch nicht die Notwendigkeit von Asylverfahren. Nähme man es mit der Menschheit ernst, so würde das auch die Ordnung der Menschen nach Gesichtspunkten der Verwertbarkeit ad absurdum führen. Stattdessen verdrängt man die reale Gewalt der Grenze, die sich notwendig aus ihrer Funktion der Konstitution und Sicherung eines staatlichen Hoheitsanspruches ergibt. Die Gewalt wurde nicht nur im Denken verdrängt, sondern auch faktisch an die EU Außengrenzen verschoben. Das macht auch folgenden Widerspruch möglich: man hält an der Notwendigkeit von Grenzen fest, während man meint, das unmenschliche Grenz- und Asylsystems an Maßstäben der Menschlichkeit ausrichten zu können.

Das Gerede von Gastfreundschaft und Menschlichkeit stellt sich dennoch gerne als eine humanistische Antwort auf die rassistische Hetze gegen Geflüchtete dar. Allerdings ist beiden Erzählungen gemein, dass diejenigen, denen wahlweise Schutz gewährt oder verwehrt werden soll, immer nur ein Objekt dieser Entscheidungen sind. Sie sind immer auf die Güte und die Nachsicht ihrer selbsternannten Retter angewiesen. Der Gegensatz löst sich auf, denn Gastfreundschaft und Duldung implizieren eben immer auch, dass die Betroffenen irgendwann wieder verschwinden müssen. In jedem Fall erstreckt sich die Menschlichkeit die man für sich reklamiert nur auf diejenigen Geflüchteten die prinzipiell einer Verwertung offen stehen. Da aber Menschlichkeit und Empathie in der Konkurrenzgesellschaft nur bei denen zieht, die sich diesen Luxus leisten können, wird vermehrt dafür geworben, zumindest die für den Arbeitsmarkt verwertbaren Ausländer zu dulden. Unterm Strich heißt dies aber auch nur die unnützen Esser möglichst schnell loszuwerden oder gar nicht reinzulassen. Von der Drohung selbst unmittelbar angesprochen, versuchen die mit entsprechendem Pass ausgestatteten per Selbstjustiz dem Souverän ihre nationale Wertigkeit zu demonstrieren, wobei sie bisweilen auch für diesen über die Stränge schlagen.

Wer die Arbeitsteilung zwischen Staat und Mob ignoriert und die Humanitätsduselei der deutschen Einheitspartei von den Grünen bis zur CDU für bare Münze nimmt, statt in ihnen das Legitimationsprogramm zur Sicherstellung imperialer Hegemonie zu sehen, geht konform mit der alltäglichen Brutalität dieser Gesellschaft. In Anbetracht der kommenden, gerade auch klimatischen Verwerfungen ist die einzig humanistische Antwort, auf dem Ideal der befreiten Menschheit zu beharren und diese Missstände schonungslos offenzulegen.

Wir sagen: Kein Friede den politischen Berufsverbrechern des besseren Deutschlands von GJ bis CDU die von Humanität reden, während sie sie abschaffen. Für ein Ende des Leids zu sein heißt für die befreite Gesellschaft kämpfen zu müssen!

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