Wie dem MDR-Bericht vom 12. Januar 2021 zu entnehmen ist, konnte die Staatsanwaltschaft kein eindeutiges Tatmotiv für den Neonaziangriff in der Nacht vom 17. zum 18. Juli 2020 ermitteln. An dem besagten Abend wurden mehrere Menschen überraschend angegriffen und zum Teil schwer verletzt. Die mutmaßlichen Täter sollen dabei teilweise in der Vergangenheit als aktive Neonazis in Erscheinung getreten sein. Statt Empörung über das Handeln der Justiz fordern wir: Organisiert euch!
Staatliches Versagen als Kontinuität
Während staatliche Behörden, wie beispielsweise der Thüringer Verfassungsschutz, die Neonaziszene in Thüringen in den 90er und 00er Jahren kontinuierlich mit aufgebaut haben und ein Umfeld entstand, aus dem rechtsterroristische Gruppen wie der NSU entspringen konnten, zeigt sich in Erfurt weiterhin ein Versagen der Ermittlungsbehörden. In letzter Konsequenz heißt es, dass gewalttätige Neonazis nur geringfügig oder gar nicht mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen. Der Mörder von Hartmut Balzke, welcher am 25. Januar 2003 von Neonazis angegriffen wurde und am 27. Januar 2003 an seinen Verletzungen verstarb, konnte fünf Jahre lang weiter ungehindert durch Erfurt laufen. Erst 2008 erfolgte ein Prozess gegen ihn, wobei er am Ende lediglich mit einer Bewährungsstrafe sowie Sozialstunden herausging. Die weiteren Mittäter, welche es mit hoher Wahrscheinlichkeit gab, wurden nie belangt. In Ballstädt, im Landkreis Gotha, griffen Neonazis organisiert eine Krimesgesellschaft an und schlugen brutal auf die Anwesenden ein. Bis heute können die Täter weiter agieren. Ein Urteil vor dem Landgericht Erfurt ging in Revision, der aufgrund von Formfehlern stattgegeben wurde. Der Prozess muss neu aufgerollt werden.
Mittlerweile jährte sich der Angriff auf den Stadtteil Leipzig-Connewitz zum fünften Mal. Mindestens sieben Neonazis aus Erfurt beteiligten sich an dem Angriff. Gegen den Großteil von ihnen wurde bis heute keine Gerichtsverhandlung geführt.
Im Mai 2016 griffen Neonazis des „Kollektiv56“ das AJZ in Erfurt an. Aus der Gruppe von über 10 Angreifern landeten lediglich zwei auf der Anklagebank. Nach viereinhalb Jahren begann der Prozess und endete mit einem Freispruch und einem eingestellten Verfahren. In der Zwischenzeit griff einer von ihnen 2017 erneut Besucher des AJZ an. Das Verfahren wurde eingestellt.
Öffentliche Kommunikation für die Täter
Schon kurz nach der Tat im Juli 2020 verklärte die Pressemeldung der Polizei den gezielten Angriff als „Massenschlägerei“. Die Presse übernahm diese Formulierung meist unhinterfragt, zum Teil bis heute. Auch jetzt stellt sich die Frage, mit welchem Ziel die Staatsanwaltschaft an die Öffentlichkeit geht und wie der MDR berichtet. War in der ersten Meldung des MDR noch die Rede davon, dass die Staatsanwaltschaft kein rechtes Tatmotiv erkennen könne, ist im ausführlichen Bericht zu lesen, dass die Staatsanwaltschaft kein eindeutiges Tatmotiv ermitteln konnte. Darin liegt jedoch nur ein kleiner Unterschied. Letztlich wird diese öffentliche Kommunikation nur dem Schutz der Täter dienen und entpolitisiert ihre Tat. Sowohl den Betroffenen, als auch Antifaschist:innen ist klar, aus welchem Motiv die Täter aus der Neonaziszene angegriffen haben: Es handelte sich um vermeintliche politische Gegner:innen.
Staat und Nazis Hand in Hand
Die Vergangenheit hat all zu oft gezeigt, dass organisierte Neonazistrukturen nichts vom Staat zu befürchten haben, wenn sie Jagd auf Linke, Geflüchtete oder Migrant:innen machen. Stattdessen greift der Staat immer wieder antifaschistische Strukturen mit aller Härte an, wie sich u.a. im Verfahren gegen die Genossin Lina aus Leipzig zeigt.
Es sollte klar sein, dass der Staat weder uns noch andere wirklich vor Neonazis schützt oder schützen will. Letztlich liegt es an jedem von uns dafür zu sorgen, dass Neonazis keine Strukturen mehr bilden und Menschen angreifen können. Auch in Solidarität mit den Betroffenen.
Als Konsequenz aus den Ereignissen kann für Antifaschist:innen nicht der Appell an ein besseres Durchgreifen des Staates gegen Neonazis stehen. Für uns kann lediglich die Forderung stehen: Organisiert euch! Denn letztlich können wir den Neonazis und der staatlichen Repression nur mit einer starken Organisierung entgegenwirken.
Deshalb: Raus aus der Empörung! Rein in die autonome Antifa!
Im Folgenden geben wir euch einen kurzen Überblick an Kontaktmöglichkeiten zu antifaschistischen und linksradikalen Initiativen und Gruppen in Erfurt sowie einige Links zu Texten, die euch bei der praktischen Organisierung eine Hilfestellung sein können.
Dissens – Antifa Erfurt
Infoladen Sabotnik
Alles muss man selber machen
Rote Hilfe Erfurt
Veto Erfurt
Tipps und Tricks für Antifas
Organize! – Verschiedene Beiträge zur Organisierung
Achtet auf euch und eure Genoss:innen, vernetzt euch und bildet euch und andere weiter was Selbstschutz digital und analog bedeutet!