Veranstaltungen zu den alternativen Einführungstagen 2020

UPDATE: Für den Vortrag am 04. November um 19 Uhr bekommt ihr auf Twitter und HIER.

Im Rahmen der alternativen Einführungstage “Nächste Ecke links” vom 26.10. bis 15.11.2020 organisieren wir zwei Veranstaltungen, die aufgrund der Covid-19 Pandemie als Online-Vorträge stattfinden. Ein Vortrag ist zur “Kritik des modernen Antisemitismus” am 28.10.2020 um 19 Uhr. Der zweite Vortrag mit der Gruppe “Flying Fortress” aus Heidelberg findet zur “Ideologiekritik des Veganismus” am 04.11.2020 um 19 Uhr online statt.

Wir dokumentieren beide Ankündigungstexte und werden kurz vorher hier und auf Twitter die Zugänge zu den Online-Veranstaltungen bekannt geben.

Mittwoch, 28. Oktober, 19 Uhr, Online
Kritik des modernen Antisemitismus

Referenten: Antifaschistische Kultur und Politik in Südthüringen e.V.

Antisemitismus ist viel mehr als nur ein Vorurteil gegen die Juden, ein Nichtwissen, das durch die schlichte Darlegung von Tatsachen aufzuklären wäre. Antisemitismus als Ideologie ist der Kern einer ganzen Weltanschauung, die in NS-Deutschland zu einem Vernichtungsprojekt ohne Gleichen erwuchs und noch heute sieht sich die Staat gewordene Konsequenz der Shoah, der jüdische Staat Israel, mit der antisemitisch motivierten Gewalt vor allem seiner Nachbarn konfrontiert. In Deutschland dagegen hat sich der Antisemitismus nach Auschwitz transformiert und nimmt nun verschiedene Formen an, die nicht mehr die Juden als unmittelbares Feindbild in den Mittelpunkt des Verfolgungsinteresses stellen. Der Antisemitismus nach Auschwitz reflektiert die Folgen der unaufgearbeiteten eigenen Vergangenheit und in Zeiten der globalen Krise des Kapitalismus den Wunsch nach Redaktion gesellschaftlicher Komplexität. Diese Formen des modernen Antisemitismus

werden unter anderem Gegenstand des Vortrages sein.

 

Mittwoch 04. November, 19 Uhr, Online
Ideologiekritik des Veganismus

Referenten: Gruppe Flying Fortress

Vegane Ernährung liegt im Trend und immer mehr Menschen verzichten bei der Nahrungsaufnahme und in ihrem Alltag auf tierische Produkte. Das wesentliche und handlungsleitende Motiv dürfte dabei zumeist sein, Tierleid vermeiden zu wollen. Dagegen lässt sich zunächst auch nichts einwenden. Oder doch? Bekanntlich ist der Weg zur Hölle ja gepflastert mit guten Absichten, was nicht heißen soll, dass jene deshalb ersatzlos zu verwerfen sind, sondern eher auf die Notwendigkeit hinweist, sich intensiver mit ihnen zu befassen und kritisch zu sein. Im Vortrag sollen deshalb einige Einwände angeführt werden, die einen Blick hinter das postulierte Ziel wagen und die Fundamente und Theorien betrachten, die diesem zugrunde liegen. Denn in der Regel ist es so, dass ein veganer Lifestyle nicht als Privatangelegenheit praktiziert, sondern als politische Aktion begriffen wird, die auf bestimmten (expliziten oder impliziten) Vorstellungen beruht und bestimmte Ziele verfolgt. Nimmt man das ernst, so geraten recht schnell problematische Punkte ins Visier. Neben offensichtlichen antisemitischen Ausfällen einiger prominenter Protagonisten (z.B. PETA mit der „Holocaust on your Plate“-Aktion, bei der u.a. Bilder von Leichenbergen aus Vernichtungslagern neben Bilder von toten Schweinen montiert wurden), gibt es auch subtilere Momente, die bedeutend mehrheitsfähiger sind und wesentlich seltener Gegenstand einer Kritik werden. Doch derartige Ausfälle fallen nicht aus heiterem Himmel. Neben einer kalkulierten Aufmerksamkeitsgenerierung und einem instrumentellen Verhältnis zum Holocaust, sowie einer vollkommen Pietätlosigkeit gegenüber den Opfern, spielte hier sicherlich auch eine Rolle, dass menschliches und tierisches Leben gleichgesetzt wird: Tote Menschen hier, tote Schweine dort. Die Botschaft dahinter: Hier und da Leichenberge. Wie kommt es aber dazu, dass menschliches und tierisches Leben gleichgesetzt wird? Welche Theorien stehen dahinter? Wenn man diese Fragen ernsthaft beantworten möchte, kommt man nicht darum herum, sich mit dem Konzept des Antispeziesismus zu befassen, das auch von vielen linken Tierschutz-, Tierrechts- oder Tierbefreiungsgruppen oftmals zu kritiklos übernommen wird. Dieses Konzept ist untrennbar mit zwei Namen verknüpft: Peter Singer und Richard Ryder. Vor allem die Ethik von Peter Singer soll im Vortrag in ihren Grundlagen skizziert und anschließend einer Kritik unterzogen werden. Leitende Prämisse dabei wird sein, danach zu fragen, inwiefern das Konzept des Antispeziesismus zwar zu kritisieren ist, das Ziel einer befreiten Gesellschaft, in der Mensch und Tier ohne Qualen leben können, aber beibehalten werden kann. Des Weiteren wirft der Vortrag auch einen Blick auf das Verhältnis von Konsum- und Gesellschaftskritik sowie auf Ausbeutungsverhältnisse und fragt danach, inwiefern die Kritik an den herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse im Kontext linker Gesellschaftskritik einen Fokus auf Tiere haben muss und – umgekehrt – warum die Kritik an Tierausbeutung sinnvoll nur in Form einer umfassenden Gesellschaftskritik formuliert werden kann. Zudem wird auf die Art und Weise, wie in der Tierbewegung agitiert wird, geblickt werden. Denn hier offenbart sich eine weitere Problematik: Die Agitation, die vorgibt, Menschen über die realen Qualen von Tieren und die Missstände in der Tierhaltung aufklären zu wollen, kommt allzu oft in der Form von Propaganda daher, die einer wirklichen Aufklärung fundamental entgegenwirkt und eher zu emotionalen Ausbrüchen und grausamen Strafwünschen führt, denn irgendwie Erkenntnis generiert oder anstößt. Methodisch ist der Vortrag, wie im Titel bereits angeführt, aufgrund seiner Intention ideologiekritisch angelegt, wobei diese verstanden wird als eine „Konfrontation der Ideologie mit ihrer eignen Wahrheit“ (Adorno 1972 [1954], S. 465). Dieses Vorgehen soll es ermöglichen, erhaltenswerte Momente der Kritik herauszustellen, die im (politischen) Veganismus bzw. in der Tierbewegung zu recht formuliert werden und gleichzeitig schonungslose Kritik an selbiger zu üben.

 

Literatur: Adorno, T. W. (1972 [1954]). Beitrag zur Ideologienlehre. In ders. Gesammelte Schriften Band 8. Soziologische Schriften I (S. 457-477). Frankfurt am Main: Suhrkamp.