Warum wir nicht zur KKK-Kreuz-Demo gingen

In dem beschaulichen Erfurter Ortsteil Marbach, welcher seit Juli 1950 eingemeindet wurde, herrscht seit einigen Monaten eine gruselige Stimmung. Grund dafür ist der geplante Moscheebau, welcher im Mai 2016 von der Ahmadiyya-Gemeinde vorgestellt wurde. Dieser versetzt wohl nicht nur einige der knapp über 4000 Bewohner in Angst und Schrecken, sondern bietet auch Nazis und anderen Deppen eine gute Grundlage, um weiterhin rassistische Ressentiments zu verbreiten.

Am 22.März 2017 fand eine Demonstration gegen die Holzkreuze in Marbach statt, angemeldet wurde diese von der ake (antifaschistische koordination erfurt). Dies war eine Reaktion auf die Holzkreuze, welche Nazis aus dem Umfeld der 1% Bewegung, der Identitären und anderen Neonazis bis hin zur AfD kurz zuvor aufstellten. Zunächst wurde Anfang März ein 10 Meter hohes Kreuz auf einem Grundstück neben der Fläche, welche für die Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde vorgesehen ist, aufgestellt. Dazu bekannten sich die „Bürger für Erfurt“ öffentlich, welche vorher schon mit ihrer Hetze gegen den Moscheebau in Erscheinung getreten waren. Nach mehrfachem Fall der aufgestellten Kreuze, standen bis zu 11 Kreuze gleichzeitig auf dem Grundstück und es gab eine „Bürgerwehr“, welche das Bauholz bewachte.

Die Demonstration der Staatsantifaschisten von ake wurde unter dem Motto „Das KKK-Kreuz in Erfurt-Marbach muss fallen!“ beworben. Allein das Motto war für uns ein großes Fragezeichen, da wir den Zusammenhang zwischen den Holzkreuzen in Marbach und dem Ku Klux Klan einfach nicht erkennen können. Aber natürlich gibt es dafür im Aufruf der ake eine „Erklärung“ – denn bei dem Holzkreuz handelt es sich um kein Symbol des christlichen Glaubens. Natürlich! Schließlich erklärte dies der Pfarrer Ricklef Münnich aus Marbach. Die evangelische Kirche Erfurt-Eisenach, sowie das katholische Bistum Erfurt bekräftigten diese Aussage. Auf Grund dessen konnten die Kreuze in Marbach laut der ake nur KKK-Kreuze sein. Was denn sonst? Wir sehnen uns schon die Situation herbei, dass der Neonazi Enrico Biczysco behauptet, dass ein Hakenkreuz gar keines sei, sondern eine Swastika und diese steht schließlich für Glück und kommt aus dem Hinduismus.

Zum einen ist ein christliches Kreuz ein Symbol des christlichen Glaubens, des Weiteren beruft sich der Ku Klux Klan mit ihrem brennenden Kreuz auf das Licht Jesu Christi, also ist es auch beim KKK ein christliches Symbol. Interessant ist nur die Aussage der Vertreter des christlichen Glaubens aus Erfurt und Umgebung, die sich revolutionär vom Holzkreuz als christliches Symbol distanzieren. Werden in den Erfurter Kirchen nun alle Holzkreuze entfernt und gegen „wirkliche christliche Symbole“ ausgetauscht? Wir sind gespannt welche das sein werden und würden uns freuen diesbezüglich auf dem Laufenden gehalten zu werden. Wir hätten eine ganze Palette lustiger Vorschläge, welche wir einreichen könnten. Der einzige Grund sich von dem Kreuz zu distanzieren, wäre demnach den Ruf der Kirche nicht zu schädigen. Denn eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Problem und den Nazis ist nicht so wichtig, wie der Schutz des Rufes der Kirche oder irgendwelcher Bürger aus Marbach. Abgesehen davon hat der Großteil von Marbach keine Lust auf weitere Kulturangebote in ihrem schnöden Dörfchen und verheimlicht dies auch nicht. Schwarz-weiß-rote Fahnen in einigen Vorgärten der Einwohner bestätigen dies.

Zudem ist es untragbar eine Hand voll Neonazis aus Thüringen und Sachsen-Anhalt, welche als Protest gegen eine Moschee Holzkreuze aufstellen, mit dem Ku Klux Klan gleichzusetzen. Der Ku Klux Klan versucht seine politischen Ziele mit Terror und Gewalt zu erreichen. Diese richtet sich in erster Linie gegen Afro-Amerikaner und geht bei Weitem über lächerliche Holzkreuze hinaus. Hierbei handelt es sich um Misshandlungen, Unterdrückungen, Morde und weitere Gewalttaten gegenüber Menschen und deren Beschützer. Indem die ake oder auch andere Menschen dies gleichstellen, verhöhnen sie die Opfer und ziehen die rassistischen Gewalttaten und Morde ins Lächerliche. Dies wollen und werden wir nicht unbeantwortet stehen lassen.

Ebenfalls denken wir nicht, dass die „Deppen für Erfurt“ in irgendeiner Weise auf den Ku Klux Klan Bezug nehmen wollten. Einzig die Tatsache, dass der Ku Klux Klan und die Nazis ein und dasselbe Symbol für eine unterschiedliche Sache benutzen, eint sie. Die auf einmal ach so christlichen Nazispinner wollen damit wohl zeigen, dass die „Kultur“ der Deutschen den christlichen Glauben und nicht den Islam oder andere Glaubensrichtungen beinhaltet. Dies beweisen sie immer wieder, wenn sie mit zugepisster Jogginghose vor der Rewe im Rieth Geflüchtete angreifen, Christi Himmelfahrt lieber in Männertag umbenannt haben wollen, mit einem „Odin statt Jesus“-Pullover unterm Weihnachtsbaum sitzen und den Obdachlosen am Erfurter Anger ins Gesicht treten.

Beim Thema Islam ist zu erleben, wie viele Rassisten einen totalen Systemausfall bekommen. Wie Wolfgang Pohrt schon sagte, wird auf einmal “Jeder Dorftrottel Spezialist für Glaubensfragen, Orientalistik und Islamwissenschaft”. Auf einmal können stramme Neonazis Koran-Suren zitieren, von denen die meisten Moslems gar nicht wussten, dass sie existieren. Alles was Islam beinhaltet, wird sofort mit dem Dschihad und der Shariah gleichgesetzt. Wenn man sich dabei näher mit dem Interesse der “besorgten Bürger” und Neonazis am Islamismus auseinandersetzt, fällt auf, dass diese Lager mehr gemeinsam haben, als sie trennt. Man könnte meinen, dass die Regularien und Ansichten geteilt werden und bekommt das Gefühl, dass mit einem weinenden Auge betrachtet wird, was sie selbst sich wünschen: Gewaltherrschaft, Totalitarismus, Todesstrafe, eine völlig regressive Kritik der westlichen Welt, ein antifeministisches Frauenbild und natürlich der Hass auf Homosexuelle und Juden. In Wirklichkeit wären sie gern wie die, vor denen sie vorgeben Angst zu haben: die Richter gegen alles, was nicht mit dem eigenen Weltbild konform geht.

Dass sich diese Feindschaft nun auch in Erfurt ein warmes Plätzchen gesucht hat, liegt daran, dass unterschiedslos alle Glaubensrichtungen des Islam mit den Islamisten des IS (Daesh) in einen Topf geworfen werden, wobei den Dschihadisten dabei neidisch über die Schulter geschaut wird. Die Ahmadiyya-Gemeinde hingegen ist, wenn man dem öffentlichen Auftritt glaubt, eher das Pendant zum politischen Islam und gibt sich, wenn man es mit anderen Strömungen des Islam vergleicht, “gemäßigt”. Suleyman Mailik, Sprecher der Ahmadiyya-Gemeinde spricht in seinen Reden davon, dass die eigenen Werte in Frage gestellt werden müssen, der Koran auf den Prüfstand gestellt und die eigene Religion erforscht werden müsse. Viele andere islamische Strömungen erkennen die Ahmadiyya wegen ihrer Ansichten und religiöser Unterschiede nicht als Islam an, weshalb sie den Glauben der Ahmadiyya als Blasphemie werten. Deshalb werden die Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinschaft in vielen islamischen Ländern verfolgt und teils brutal bekämpft, sodass viele von ihnen nach Europa flüchten und in Deutschland einen Flüchtlingsstatus innehaben.

Für uns als emanzipatorische Antifaschisten hat der Kampf gegen die Barbarei und Verhinderung des Schlimmeren erste Priorität, was aber nicht heißt, dass wir uns wie ein Schutzschild vor die Religionen werfen. Natürlich muss in Marbach etwas passieren, der Rassismus der “Bürger für Erfurt” Clique muss benannt werden. Im gleichen Atemzug haben wir als progressiv denkende Gruppe auch die Aufgabe, den Islam als solchen zu kritisieren. Erstmal sollte der Islam als Religion begriffen werden, Islamkritik sollte folglich Religionskritik sein. Dabei gibt es einiges zu beachten. Der Islam kann nicht als Marotte wie das Christentum in Deutschland abgetan werden, da der Islamismus, also die fundamentalistische Auslebung des Islam, viel präsenter ist, als die der Christen. Was aber alle “großen” Religionen gemeinsam haben und sie für uns so gefährlich macht ist, dass sie vom Individuum so ausgelegt werden können, wie es gerade in den eigenen Kram passt. In den verschiedenen Glaubensbüchern sind eben alle Wechselfälle des Lebens bedacht. Für jede Situation des Lebens gibt es eine Antwort, und wenn es die ist, dass alles einen übergeordneten Sinn hat, wie auch immer der aussehen mag. Eines haben alle diese Regularien gemein, dass jede Regel durch eine andere aufgehoben werden kann. Der Gläubige sucht dann so lange nach einem Gebot, einer Sure oder ähnlichem bis ein Leitsatz gefunden wurde, welcher gerade zur eigenen Laune passt. Einmal hält man die Wange hin, das andere Mal ist alles Auge um Auge, Zahn um Zahn. In allen Glaubenslehren stehen sowohl friedensstiftende Floskeln als auch dem entgegengesetzte Zeilen. Die Sozialisierung der einzelnen Gläubigen ist damit der Kern, der die Auslebung der jeweiligen Religion beeinflusst. Menschen werden nicht pauschal gut oder böse geboren, sie werden dazu erzogen.