Neben der Europawahl fand am 26. Mai 2019 auch die Kommunalwahl in Thüringen statt. Das Ergebnis der Stadtratswahl lag erst am Montag danach vor. Was sich bereits vorher abzeichnete wurde bestätigt. Enrico Biczysko verlor seinen Stadtratssitz und seine neue Partei schaffte den Einzug nicht. Dafür konnte die AfD einziehen.
Die AfD neu im Stadtrat als viertstärkste Kraft
Am Ende war es keine große Überraschung. Weder das schlechte Abschneiden der Nazis vom „Dritten Weg“ noch der Einzug der AfD in den Stadtrat kam unerwartet. Mit 14,8 % holte sich die AfD sieben Sitze für den Stadtrat, womit Stefan Möller, der Polizist Ringo Mühlmann und der Rechtsanwalt Sascha Schlösser sicher in den Stadtrat eingezogen sind. Welche weitere AfD-Politiker den Einzug geschafft haben bleibt abzuwarten. Ihr bestes Ergebnis in Erfurt holte die AfD mit 30,9 % im Stadtteil Schwerborn und wurde dort stärkste Kraft. Insbesondere in Erfurt Nord konnte die AfD sich in einigen Stadtteilen als stärkste Kraft etablieren, wie z. B. im Stadtteil Roter Berg und ließ dort die Linkspartei, wenn auch nur knapp, hinter sich. Interessant ist auch der Blick hier nach Marbach, wo die AfD mit 19,2 % zweitstärkste Kraft wurde, wobei 1.144 Menschen aus dem Erfurter Vorort ihrer Partei ihre Stimme gaben. In der Vergangenheit war insbesondere die AfD dadurch aufgefallen, den Moscheeneubau der Ahmadiyya für ihren Wahlkampf zu nutzen und versuchte immer wieder die Stimmung in Erfurt in diesem Themenbereich aufzuheizen. Das Wahlergebnis macht um so mehr deutlich, dass es auch antifaschistischer Intervention vor Ort bedarf, die eine notwendige Kritik am Islam nicht der AfD überlässt, statt sich der Ahmadiyya anzunähern und anzubiedern.
Die linke Mehrheit im Stadtrat dürfte die AfD aber wohl kaum gefährden, gerade dann nicht sollte sich die CDU einer weiteren Zusammenarbeit mit der AfD verwehren. Dennoch werden die Stadträte der Partei eine durchaus unangenehme Opposition darstellen. Wie weit diese wirkt, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.
Bei der Europawahl schaffte es die AfD in Erfurt auf Platz 2, hinter der CDU, mit 16,8 %.
„Der Dritte…“ wer?
Auch die Nazis vom Herrenberg schafften es kurz vor der Wahl nochmal in die Schlagzeilen. Wie aus der Lokalpresse zu lesen war, gab es einen „Anschlag“ auf die Parteizentrale sowie deren Parteibus. Ihr Wahlkampf und die Mühen der letzten Tage blieben jedoch ungewürdigt. Erfurtweit schaffte es die Partei gerade mal auf 0,6 %, was angesichts der Materialschlacht der Partei eher ein Flopp ist. Ihr stärkstes Ergebnis fuhr die Partei auf dem Erfurter Herrenberg mit 4,2 % ein, also mit 242 Stimmen ein. Enrico Biczysko verlor mit dieser Wahl sein Stadtratsmandat, welches er eh nicht mehr wirklich wahrgenommen hatte. Selbst bei der Europawahl holte die Partei in Erfurt gerade einmal 287 Stimmen, während die NPD 312 und Die Rechte 79 Stimmen holen konnte.
Einen kleinen Funken Aufmerksamkeit holte sich „Der Dritte Weg“ noch mit seiner Kandidatur von Doreen Lukei als Ortsteilbürgermeisterin des Stadtteil Herrenberg. Sie holte mit 37,3 % insgesamt 899 Stimmen, gegen den bisherigen Ortsteilbürgermeister Hans-Jürgen Czentarra. Da es nur zwei Kandidaten gab und die Parteizugehörigkeit bei der Wahl nicht vermerkt war, ist zu bezweifeln ob der hohe Stimmenanteil für Lukei auf ein hohes Wählerpotenzial für die Nazis zurückzuführen ist. Besonders, wenn man vergleicht, wie viele Stimmen die Partei auf dem Herrenberg bei Kommunal- und Europawahl bekommen hat.
Gerade gegen Ende des Wahlkampfes der Nazis wurden diese immer wieder von spontanen Protesten begleitet oder erwartet, an vielen Stellen verschwanden Plakate der Partei nach ihrer Anbringung wieder.
Für die kommende Landtagswahl im Oktober sieht es allerdings düster aus und das nicht wegen der Gurkentruppe vom Erfurter Herrenberg, sondern viel mehr wegen der AfD und ihrem rechten „Flügel“ um Björn Höcke. Die Wahl im Mai hat jetzt gezeigt, welches Wählerpotenzial die Partei hat und auf welche Grundlage sie zur Landtagswahl bauen kann. Der Einzug auf kommunaler Ebene wird einen weiteren Beitrag dazu leisten, wie auch immer die Rolle der AfD im Erfurter Stadtrat aussehen mag.