Am 27. September fand in Jena eine Demonstration gegen patriarchale Gewalt statt. Über unseren Twitter-Account empfahlen wir anlässlich der Demonstration einen Text, welcher in der Bonjour Tristesse erschien und sich an feministischen Auseinandersetzungen mit dem Patriarchats-Begriff abarbeitet. Wir möchten folgend sowohl zu dem Post als auch zur Demonstration in Jena Stellung beziehen.
Sexualisierte Gewalt und die feministische Demonstration in Jena
In der linken Szene in Thüringen kam es in den letzten Monaten zu Veröffentlichungen bezüglich sexistischen Verhaltens, sexualisierter Gewalt und Vergewaltigungen in unterschiedlichen Städten und Strukturen. Die Fälle in Erfurt, Gotha, Jena und Saalfeld bilden dabei nur die Spitze des Eisberges. Die veröffentlichten Fälle haben viel zu oft gezeigt, dass es nicht nur ein strukturelles Problem mit sexualisierter Gewalt gibt, sondern auch ein grundlegendes Problem des damit verbundenen Schutzes der Täter innerhalb der Szene. Die Fälle haben oft gezeigt, dass die Betroffenen nicht ernst genommen, eingeschüchtert und massiv unter Druck gesetzt werden. Sei es von den Tätern selbst oder von der Szene und dem Umfeld.
Anlässlich der Demonstration am 27. September, welche zum Teil von Betroffenen und Unterstützerkreisen und u.a. als explizite Reaktion auf diese Vorfälle organisiert wurde, haben wir uns über Twitter mit der Empfehlung des angesprochenen Textes an die Teilnehmer:innen gerichtet. Unabhängig von der inhaltlichen Ausrichtung des Textes, sehen wir ein, dass es grundlegend falsch war, wie wir uns zur Demonstration gegen patriarchale Gewalt öffentlich verhalten haben.
Dass unser Post als verbaler Angriff auf die Demo und ihre Teilnehmer:innen betrachtet wird, verstehen wir, denn das war er auch. Wir begreifen den Post selbst als Teil des sexistischen Verhaltens unserer eigenen Struktur. Diese Perspektive fließt in unsere interne Auseinandersetzung mit ein, die auch eine Reflexion unseres Auftretens in Social Media Kanälen einschließt. Angesichts der aktuellen Fälle und einer bislang dürftigen öffentlichen Solidarisierung mit den Betroffenen, begreifen wir unseren Diss über Twitter als ein fatales Zeichen an die Betroffenen und alle Genoss:innen.
Intern setzen wir uns nicht nur mit dem sexistischen Auftreten gegenüber der Demo auseinander, sondern auch mit den inhaltlichen Kritikpunkten an dem von uns empfohlenen Text, welche uns erreicht haben.
Solidarität mit den Betroffenen!
Wir möchten an dieser Stelle nicht nur den Fehler unseres Auftretens kommunizieren, sondern noch einmal deutlich machen, dass wir solidarisch mit allen Betroffenen sexualisierter Gewalt sind! Als Teil dieser Solidarität begreifen wir eben auch den Prozess der Aufarbeitung innerhalb der linken Szene, in den konkreten Fällen zu unterstützen, ausgerichtet an den Bedürfnissen der Betroffenen sowie einen Ausschluss von Tätern aus unseren Räumen und Strukturen. Dass unser jetziges öffentliches Auftreten als Gruppe im besten Fall dazu nichts beigetragen hat, im schlimmsten Fall das Gegenteil bewirkt, sehen und bedauern wir. Unser Anspruch an uns als Gruppe ist und war, solidarisch mit unseren Genoss:innen zu sein und dass sich ein solches öffentliches Auftreten unserer Gruppe nicht wiederholt. Eine aktive Auseinandersetzung damit findet sowohl individuell, als auch als Gruppe statt.
Streit und Kritik
Nicht nur im Fall der Demonstration vom 27. September haben wir über Social Media Kritikpunkte oder Diffamierungen gebracht, welche auch andere Gruppen trafen. Wir begreifen es als elementar für unsere Politik sich gegenseitig (konstruktiv) zu kritisieren, zu streiten und eine inhaltliche Auseinandersetzung mit anderen Gruppen und Positionen zu führen – gerade in der radikalen Linken. Dass dabei weder 140 Zeichen auf Twitter geeignet sind, noch eine einfache arrogante Textempfehlung hilfreich für eine Debatte ist, ist eine Erkenntnis für die wir als Gruppe viel zu lange gebraucht haben. Für die Auseinandersetzung mit unseren Texten oder Veranstaltungen, in denen wir eine Kritik vermitteln, ist dies meist nicht förderlich, wenn es auch erst einmal Aufmerksamkeit in der eigenen Bubble schafft. Jene hervorgerufene Empörung führt zu keinem Ergebnis in der Auseinandersetzung, außer dass sich alle Seiten identitär voneinander abgrenzen können. Dies wird unserem Anspruch, wie wir eigentlich streiten wollen, nicht gerecht.
Interne Auseinandersetzungen
Abschließend möchten wir verdeutlichen, dass wir uns als Gruppe selbst in einem Prozess der stetigen Weiterentwicklung befinden und die jetzigen Auseinandersetzungen auch in unseren gruppeninternen Reflexionsprozess miteinfließen und Konsequenzen für unser zukünftiges Handeln haben wird. Dies schließt nicht nur die jetzigen Vorfälle ein, sondern auch vergangene Veranstaltungen.
Dieses öffentliche Statement kann an einigen Stellen nicht ins Detail gehen, da nicht alles in diesem Prozess für die breite Öffentlichkeit bestimmt ist.
Für Fragen, Anregungen und Kritik, schreibt uns eine E-Mail.