Am Dienstag den 13.11.2018 fand im Erfurter Ortsteil Marbach die Grundsteinlegung für eine Moschee der Ahmadiyya Muslim Jamaat statt. An diesem Tag sollte sich auf eine Seite geschlagen und Stellung bezogen werden, möchte man den selbsternannten Verteidigern der Religionsfreiheit und den Moscheegegnern glauben. So riefen Linksjugend, NPD und Pax Europa zu Kundgebungen auf.
Währenddessen fand auf dem Grundstück der zukünftigen Moschee die Grundsteinlegung statt. Verschiedene VertreterInnen der Stadt, Politik, und anderer Glaubensgemeinschaften beteiligten sich daran. Während im Inneren, des von der Ahmadiyya organisierten Festzeltes in der größe der zukünftigen Moschee, Lobesreden auf die muslimische Gemeinschaft gehalten wurden, tauschten die Kundgebungen vor dem Gelände ihre Redebeiträge in abgesperrten Bereichen aus.
Das Märchen der “liberalen” Gemeinde
Die Ahmadiyya Gemeinde genießt in Deutschland eine besondere Aufmerksamkeit. Sie gilt als „liberal“, bekennt sich zur BRD und begreift sich als staatstreue Ausrichtung des Islams. Gerade in der Auseinandersetzung um den Moscheebau in Erfurt-Marbach sind die Sprecher der islamischen Gemeinschaft, als auch die Befürworter des Moscheebaus aus der Politik nicht müde geworden dies immer wieder zu betonen. Selbst der Verfassungsschutz, spätestens seit dem Auffliegen des NSU und der Pannen im Fall des islamistischen Berliner Attentäters Anis Amri als zuverlässlichste Quelle bekannt, sieht keine radikalen Tendenzen bei der Gemeinde. Klar, im Vergleich zu salafistischen Gruppen, haben die Ahmadyyia-Gemeinde bisher keine offensichtlichen Verbindung zu djihadistischen Gruppen gepflegt.
Die Prädikate „liberal“ und „staatstreu“ reichen jedoch schon aus, um Teile des linken Establishment auf die Bühne zu rufen. Allen voran der Mann, der laut Aussage seiner Partei Thüringen 2019 vor dem Rückfall in die Barbarei bewahren soll, Bodo Ramelow. Als Thüringer Ministerpräsident ist es zwar nicht seine Pflicht zu einer Grundsteinlegung einer muslimischen Gemeinde für eine Moschee zu kommen, doch für Bodo ist es eine Berufung. Unter großem Medienrummel begab sich Ramelow nach Marbach um mit dem Präsidenten der Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland, Abdullah Wagishauser, Sulemann Malik von der Erfurter Ahmadiyya, Astrid-Rothe Beinlich von den Grünen sowie Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein von der SPD der Grundsteinlegung bei zu wohnen. Im Beitrag des MDR Thüringen heißt es von Seiten Bodo Ramelows, es herrsche viel Unkenntnis, schließlich sei der Terror von islamistischen Gruppen, den man aus dem Fernsehen kenne, mit dieser Gemeinschaft nicht zu vergleichen. „Und was viele die jetzt hier mit Vorurteilen arbeiten nicht wissen, dass die Ahmadiyyas selber mit dem Tode bedroht sind und deswegen die Ahmadiyyas eben auch eine sehr friedliche Form haben wie sie mit ihrem Glauben, Religion und ihrer Koranauslegung umgehen. Und es bleibt der Appell: Menschen die friedlich ihren Glauben leben brauchen den Schutz unserer Gemeinschaft.“ Zwar wird die Ahmadiyya verfolgt, doch warum so sich daraus zwangsläufig eine friedliche Auslegung ableiten muss, ergibt sich nicht aus dem Kontext. Doch das ist nur eine der vielen falschen Annahmen von Ramelow und Co. Dass die Ahmadiyya keinen Glaubenkrieg propagiert oder die Scharia predigt mag stimmen, eine „liberale Haltung“ gegenüber Frauen oder Homosexuellen mag dabei nicht zwangsläufig der Fall sein. Das Jachad – Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus hat anlässlich einer Veranstaltung der Ahmadiyya Muslim Jamaat im Göttinger Stresemann-Hotel einen offenen Brief verfasst.
Hier werden Beispiele aufgeführt die deutlich machen, dass es sich bei der Ahmadiyya um eine reaktionäre Glaubensgemeinschaft handelt.
Neben einigen Beispielen, wo u. a. durch einen Imam eine Heilung von Homosexuellen angestrebt wird, oder in einer Zeitung der Gemeinschaft steht, Homosexualität werde durch das Essen von Schweinefleisch verursacht, zeigt sich das es dabei eben nicht nur Einzelfälle aus den letzten Jahren in Deutschland sind:
„So findet sich dort zahlreiches Lehrmaterial, das den erzkonservativen Geist der Ahmadiyya zur Schau stellt, wie dieser folgende Auszug aus der Schrift ‘Die Frau im Islam’ bezeugt, verfasst vom bereits erwähnten geistigen Führer Mirza Tahir Ahmad:‚Es muss klargestellt werden, dass die Bewegungen der Frauenrechtlerinnen nicht von Gott gesegnet und nicht unter der Leitung eines Propheten waren, darum fehlte ihnen auch das Licht der göttlichen Führung, und sie sind allesamt auf Irrwege abgerutscht. Einige schlimme Folgen machen sich schon jetzt bemerkbar, und weitere werden folgen. Eine dieser Folgen erscheint in Form von Krankheiten.‘“
Ahmadiyya Muslim Jamaat – eine islamische Sekte
In einigen wenigen kritischen Betrachtungen der Ahmadiyya Muslim Jamaat ist die Gemeinde das ganze Gegenteil von „weltoffen“ und „tolerant“. Die Soziologin Necla Kelek bezeichnete die Ahmadiyya in einem Interview mit dem Deutschlandfunk als „islamische Sekte“. Dabei zeigt sich vor allem eine Strategie, die viele in Deutschland agierende islamische Glaubensgemeinschaften und Vereine verbindet. Sie geben sich nach außen hin offen, tolerant, sind aber im Kern weiterhin fundamentalistisch und reaktionär. Diese fundamentalistische Ausrichtung bleibt dabei in der Öffentlichkeit verborgen. Ein Abdullah Wagishauser käme wohl kaum in einer Pressekonferenz auf die Idee Frauenrechtler als Abgerutschte auf dem Irrweg zu bezeichnen oder Homosexualität als eine Krankheit zu begreifen. Doch genau diese Strategie funktioniert sehr gut, was durch das Schaulaufen von Politikern und Vertretern von Kirchen und der jüdischen Gemeinde zur Grundsteinlegung unter Beweis gestellt wurde. Necla Kelek zeigt die Strategie der Ahmadiyya in ihrem Interview nach der Frage der „liberalen, aber wertkonservativen“ Darstellung der Ahmadiyya auf: „Sie sagen das zwar so nach außen, aber wenn wir genauer ansehen, wie das real existierende Moscheeleben oder dieses Gemeinschaftsleben aussieht, dann sehe ich, dass halt zum Beispiel der Koran und auch die Sunna als Allahs Gesetz wortwörtlich genommen wird. Und damit ist auch gemeint, dass die Welt in Gläubige und Ungläubige geteilt wird, genau wie wir es in diesen erzkonservativen Bewegungen auch sehen.
Sie teilen auch die Welt in Frauen und Männer auf. Das heißt, die Männer entscheiden über das Leben der Frauen, Ältere über Jüngere. Sehr stark vertreten ist die Verwandschaftsehe, sodass halt die Mitglieder gleich von Anfang an in der Gemeinschaft bleiben und keine Möglichkeit haben, außerhalb dieser Gemeinschaft ein Leben anzufangen. Das wird sehr stark kontrolliert. Und sie sind missionarisch– also sie tragen den politischen Islam weiter, indem sie zum Beispiel unentwegt Moscheen bauen wollen.“
Als besonderen Moment dieser Strategie der Außendarstellung sieht Kelek vor allem die Opferrolle der Ahmadiyya.
„Sie nutzen diesen Status aber, um ihre politische Agenda eigentlich durchzusetzen. Sie sind ja auch nicht transparent. Ich weiß zum Beispiel nicht, was wirklich in diesen Freitagspredigten gepredigt wird. Es ist ja auch innerhalb der Moschee so stark in Männer und Frauen geteilt. Das gleicht sich in allen anderen erzkonservativen islamischen Richtungen.“
Denkt man an den O-Ton von Ministerpräsident Ramelow vom 13. November 2018 im MDR scheint genau das gut aufzugehen.
Religionsfreiheit als Totschlagargument
Eine weitere Äußerung von Ramelow galt der „Religionsfreiheit“. In einem Videoausschnitt der Mediengruppe Thüringen von der offiziellen Veranstaltung, die nur geladenen Gästen und Presse zugänglich war, äußerte er sich dazu. Eingeleitet mit den Worten, er habe ja nichts gegen Demonstrationen oder gegen eine freie Meinungsäußerung, aber er lege Wert auf das Grundgesetz und das es auch für alle gilt. Das Ramelow gegen gewisse Demonstrationen schon etwas hat zeigte sich 2016 im Vorfeld zu einer antifaschistischen Demonstration im Wohndorf des Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke. Damals wetterte er gegen die Veranstalter, die seiner ‚freien Meinungsäußerung‘ nach, Nazimethoden anwendeten. Doch warum ein Ministerpräsident der Linkspartei extra betont nichts gegen eben die genannten Dinge zu haben und diese nicht als selbstverständlich betrachtet, steht auf einem anderen Blatt.Eine ausführliche Betrachtung Ramelows autoritärer Charakterzüge ist wohl an einer anderen Stelle besser angebracht.
Eines schien den Befürwortern der Moschee in Marbach, im Festzelt als auch davor, besonders wichtig zu sein. Die Verteidigung der Religionsfreiheit. Nicht das die 50-60 Rentner mit ihren Pappschildern vor der Moschee eine akute Bedrohung für das Grundgesetz oder die Thüringer Verfassung darstellten, aber betonen mussten es trotzdem alle. Das dabei die eigentlichen Feinde der Religionsfreiheit unmittelbar mit Ramelow auf der Bühne standen erkannte man nicht. Denn der Ahmadiyya Muslim Jamaat geht es nicht etwa um die Anerkennung anderer Religionen. Für sie zählt nur der Islam als die wahre Religion: „Es gibt keine andere Religion. Sie geben sich zwar nach außen schon so, dass sie auch andere Religionen akzeptieren, aber nach innen gibt es überhaupt keine liberale Bewegung. Sie setzen ja sich auch nicht mit dem Koran inhaltlich auseinander, auch mit den Gewaltstellen nicht.“ (Quelle)
Zwischen linker “Toleranz” und rechter Identitätspolitik
Im Vorfeld organisierte die Linksjugend`solid SDS Erfurt eine Kundgebung unter dem Motto “NPD-Aufmarsch verhindern: keinen Meter den Faschisten”. Die Kundgebung fand direkt vor dem Eingang zum Gelände der Ahmadiyya-Gemeinde statt. Mit einer Menschenkette für “Toleranz, Vielfalt und Freiheit” sollte die Grundsteinlegung vor der Hetze der NPD und anderer rassistischer Gruppen beschützt werden. In einem Beitrag sagte ein Redner sinngemäß: Indem man die Moschee vor Nazis beschützt, beschützt man auch die Gesellschaft vor rechten Ideologien und damit auch vor Sexismus und Homophobie. Während von der Kundgebung der Linksjugend die Prinzen mit ‘Das alles ist Deutschland’ dröhnte, wurde sich zur Menschenkette aufgestellt. Das es in den Vorstellungen der NPD mit Sexismus und Homophobie nicht weit her ist, wagt wohl niemand zu bezweifeln. Ausgerechnet eine Moschee “beschützen” zu müssen, ist angesichts der Äußerungen der Ahmadiyya Muslim Jamaat absurd. Schlussendlich wurde versucht sich schützend vor homophobe Frauenfeinde zu stellen, um sie vor homophoben Frauenfeinden zu beschützen. Das sich die “Antifaschisten” in ihrer Beschützerrolle nicht lächerlich, sondern auch zum willigen Erfüllungsgehilfen der Ahmadiyya machten, ist wohl eine Erkenntnis die ihnen verwehrt bleibt.
Auf der anderen Straßenseite fand währentdessen, auf einer mit Absperrband gekenntzeichnete Fläche, die Kundgebung von Pax Europa statt, zu welcher auch die NPD aufgerufen hat. Auf der Kundgebung befanden sich zumeist Menschen über 50. Neben den Forderungen “alle Muslime müssen sofort aus Deutschland abgeschoben werden” und den danach folgenden Sprechchören, wie “Abschieben! Abschieben!”, spitzte der Sprecher von Pax Deutschland, Michael Stürzenberger, seine Rede weiter zu. Er wünschte sich das es in Deutschland ein Gesetz gegen unnötig lange Bärte und ein Teppichverbot geben sollte, ähnlich dem Vorbild der Verfolgung von Muslimen in China. Anschließend bezeichnete er Israel als Bruder im Geiste gegen den Islam. Stürzenberger bezeichnet sich selbst als “pro-israelisch”, nicht das es in Tel Aviv, Jerusalem oder den Golan-Höhen oder auch sonst jemanden interessiert wie sich Stürzenberger bezeichnet. Dass es Stürzenberger in der Vergangenheit nicht etwa um den Staat Israel als eigenständigen Staat, als Zufluchtsort für Jüdinnen und Juden weltweit ging, zeigte sich an seinen vergangenen Äußerungen. So verteidigte er z. B. die Äußerungen eines damaligen Parteikollegen, der die Shoa leugnete und diese als “Mythos” bezeichnete, als Hinweis auf die “Instrumentalisierung der Schuldenlast”. Wie ein Bericht über eine Reise u. a. von Stürzenberger und anderen Aktiven von PI-News nach Israel zeigte, geht es dabei eher um die Projektion der eigenen Gewaltfantasien gegen Araber, als um eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem arabischen Antisemitismus und der Selbstverteidigung Israels.
Den linken Konsens aufbrechen
Es bedarf in Marbach einen Bruch mit der Anbiederung an eine islamische Sekte die weder “liberal” noch “weltoffen” ist, sondern eine grundlegende kritische Auseinandersetzung mit dem politischen Islam und der Ahmadiyya Muslim Jamaat. Im Gegensatz zur Auseinandersetzung mit Neonazis gibt es kein breites zvilgesellschaftliches Netz an Präventions- und Aufklärungsarbeit. Stattdessen biedert sich die Zivilgesellschaft hier noch an. So lange das der Fall ist, liegt es an denen, die es mit der Emanzipation und Aufklärung nicht nur als schöne Phrasen halten, auf die Widersprüche hinzuweisen. Bisher schaffte es die radikale Linke in Thüringen sowie Bündnisse wie das “Frauenkampftagsbündnis” nicht auch nur ein Wort dazu zu verlieren. Wenn in diesen Kreisen über Marbach berichtet wurde, dann nur mit dem Fokus auf die Demonstrationen der Moscheegegner. Würde Ramelow, Bausewein und Co. einer öffentlichen Veranstaltung eines rechts-konservativen christlichen Vereins beiwohnen, wäre wohl der Aufschrei in diesen Kreisen groß und eine “feministische kämpferische” Demo in der Planung. Wenn es dabei aber um die Hofierung einer islamischen Glaubensgemeinschaft geht, deren Ansichten ebenfalls frauenfeindlich, homophob und reaktionär sind, wird geschwiegen oder sich, wie von der Linksjugend, “schützend” vor sie gestellt.
Des Weiteren schließen wir uns den Forderungen an, die das Bündnis gegen Islamismus aus Leipzig anlässlich einer Kundgebung am 21. Dezember 2018 in Leipzig formulierte, da sich auch hier die Grundlage zur Situation in Marbach gleicht:
“Der Widerstand gegen den islamischen Fanatismus darf weder einer blinden Toleranz zum Opfer fallen, noch durch fremdenfeindliche Identitätspolitik verdrängt werden. Es sollte nicht hingenommen werden, dass im notwendigen Kampf gegen Rechts der Kampf gegen den Islamismus versäumt wird. Er ist als notwendiger Selbstschutz einer liberalen, rechtsstaatlich konstituierten Gesellschaft anzusehen, deren Aufgabe es ist, die individuellen Persönlichkeitsrechte gegenüber jedem Einzelnen zu garantieren und durchzusetzen. Die mangelnde Problematisierung des Islams als dem größten Integrationshindernis vieler dieser Menschen führt nicht mehr nur zur Ausbildung von Parallelgesellschaften und Doppelstandards, sondern auch dazu, dass radikal-islamische Organisationen hierzulande nahezu ungehindert anwachsen können. Die Frage, wie die Integration von Menschen gewährleistet werden kann, deren praktizierter Alltagsislam nicht wenige zivilisatorische Errungenschaften tagtäglich mit Füßen tritt, lässt sich nicht mit kultursensibler Gleichgültigkeit lösen. Eine solche bringt vor allem Frauen, Homosexuelle, Juden und Andersgläubige zunehmend in Gefahr und ist nicht hinnehmbar.”
Es ist damit mehr als überfällig sich da zu positionieren, wo Linke Religionsfreiheit fordern, statt sich einer Kritik der Religion anzunehmen, wenn sich Politik und Zivilgesellschaft frauenfeindlichen und homophoben Glaubensgemeinschaften anbiedern oder sich Antisemiten, Rassisten oder Neonazis sich unter dem Label der “Islamkritik” als Verteidiger des Westens aufspielen.