Erfurter Armutszeugnis – wenn Antifaschisten mit der Ahmadiyya demonstrieren

Am Freitag den 15. November rief u. a. die Gruppierung „Erfurt zeigt Gesicht“ zu einer Kundgebung des rechten Verschwörungstheoretikers und Antisemiten Michael Stürzenberger auf. Dessen Kundgebung richtete sich gegen den Moscheebau der Ahmadiyya-Gemeinde in Erfurt. Über mehrere Stunden versuchte Stürzenberger mit seinen zum Teil wirren Wortbeiträgen den Erfurter Anger zu beschallen. Auf der Gegenseite befanden sich einige Gegendemonstranten auf der Kundgebung der Ahmadiyya-Gemeinde. Aufgerufen zur Gegenkundgebung hatten einige linke und antifaschistische Akteure aus Erfurt.

Stürzenbergers Schauspiel
Es mutet schon etwas befremdlich an, blickte man auf die Kundgebung von Michael Stürzenberger. Fast mehr Plakate, deren Inhalt über die Ahmadiyya aufklären sollte, als Teilnehmer auf der Kundgebung und ein fast fünfstündiges Alleinunterhalterprogramm. Die Reden waren dabei ähnlich wirr wie die Plakate. Mal war die Rede vom Islam als einzig antisemitische Religion, denn im Christentum gäbe es keinen Antisemitismus. Ein anderes Mal wurde davon gesprochen nur gegen ‚Islamisten‘ zu sein um kurze Zeit später wieder alle Muslime über einen Kamm zu scheren. Alles in allem eine Veranstaltung, deren Außenwirkung eher den Eindruck vermittelt, als stehe dort ein verrückter Prediger, der seine „The end is near“ Schilder mitgebracht hat. Eine Veranstaltung also, die wohl kaum der Rede wert wäre, wäre da nicht der Gegenprotest, der diese Kundgebung zum Anlass nahm um mit der Ahmadiyya gemeinsame Sache zu machen.
Alle zusammen gegen den Faschismus‘
Wenige Tage vor der Kundgebung gab die Ahmadiyya-Gemeinde in Erfurt bekannt, namentlich der Vorsitzende Suleman Malik, eine Gegenkundgebung angemeldet zu haben. Schnell bekam der Vorsitzende Unterstützung. Beigesprungen ist das Erfurter „Auf die Plätze“-Bündnis, ein Zusammenschluss verschiedener Jugendverbände, zivilgesellschaftlicher Akteure und Leuten die sich irgendwie als „Antifa“ verstehen. Veröffentlicht wurde über soziale Netzwerke ein kurzer Aufruf sowie eine „Aktionskarte“ für den Tag. Darauf fanden sich nicht nur Logo der Ahmadiyya, des ‚Auf die Plätze‘-Bündnis sowie ein Antifa-Logo, sondern auch gleich mehrere Verweise auf die Homepages und Facebook-Auftritte der islamischen Gemeinde. Als sei das noch nicht genug, trat man am selben Tag auch gemeinsam auf der Kundgebung auf, applaudierte den Reden Sulemann Maliks und beklatschte den Gebetsruf aus den Lautsprechern der Gemeinde.
Auch Akteure, die sich in der Vergangenheit für Feminismus aussprachen und auch sonst nicht müde werden AfD und Co. für ihren Antifeminismus und ihr reaktionäres Familienbild zu kritisieren, mobilisierten plötzlich zur Kundgebung der Ahmadiyya. Zu nennen wäre hier das „Alles muss man selber machen“-Bündnis, welches über Twitter dazu aufrief an der Veranstaltung teilzunehmen. Dem schlossen sich die „Seebrücke Erfurt“ , Fridays for Future Erfurt und andere linke Akteure an. Speziell das „Alles muss man selber machen“-Bündnis demonstrierte im Oktober diesen Jahres noch mit einem eigenen Block für „ein Ende des Patriarchats“, doch dabei scheint es sich ja nun um nicht mehr als eine leere Phrase zu handeln.
Patriarchale Familienstruktur, Homophobie und islamische Ideologie
Würden es die linken Akteure wirklich ernst meinen mit ihrer feministischen Auseinandersetzung, dann wäre die Ahmadiyya kein Bündnispartner. In verschiedenen Texten zu der Thematik haben wir bereits zusammengefasst, warum die Ahmadiyya eine patriarchale, sexistische und zum Teil homophobe islamische Sekte ist, in der Frauen unter das Kopftuch gezwungen werden und Menschen ihre individuelle Selbstbestimmung genommen wird. Hier ein kurzer Auszug dazu, aus unserem Text ‚Emanzipation statt Aufklärungsverrat‘: „Als politische Bewegung aufgezogen ist die Ahmadiyya bis heute eine Gemeinde, deren Mitglieder Träger und Trägerinnen dieser islamischen Ideologie sind. Die Missionierung ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Ideologie. Sie wirkt nach außen expansiv, wenn gleich sich selbst die Ahmadiyya vorschreibt, diese Missionierung lediglich durch Verbreitung der ‚Wahrheit‘ durch Wort und Tat zu vollziehen und nicht durch den Zwang mittels Gewalt. Nach innen wird die Gemeinde durch ihre soziale (Selbst-)Kontrolle gemaßregelt. Aus der islamischen Ideologie lassen sich Rollenbilder, Geschlechterbilder, Familie und sozialer Status für das gesellschaftliche Leben ableiten. Konkret umgesetzt bedeutet dies, dass den Frauen ihre sexuelle Selbstbestimmung abgesprochen wird, sich patriarchale Familienmodelle reproduzieren und Frauen im Sinne der islamischen Glaubenslehre unter den Schleier gezwungen werden.
Die Ahamadiyya versteht sich als Reformbewegung des Islams, jedoch interpretiert sie einige praktische Umsetzungen der islamischen Ideologie nur anders, als es z. B. salafistische Gruppen tun. Die dadurch entstandenen Unterschiede sind in ihren Grundlagen nicht zu unterscheiden, im Detail fasst die Ahmadiyya eine durchaus gemäßigte Auslegung ins Auge. Sie vertreten Positionen, die in anderen islamischen Glaubensgemeinschaften anders praktiziert werden. Die Grenzen zeigen sich jedoch in ihrem Bezug auf die islamischen Grundpfeiler und der abgeleiteten Glaubensauslegung. Vor allem versucht die AMJ ihre Auslegungen anders zu verpacken und zu präsentieren.
Wenn Menschen jedoch von klein auf die Möglichkeit genommen wird sich sexuell zu entwickeln, ihnen eine Selbstgeiselung, in Form von religiöser Frömmigkeit statt Konsum, anerzogen wird, die soweit geht, dass das Ablegen des Kopftuches mit der gleichen Scham besetzt ist, wie eine öffentliche Entblößung der Genitalien, dann sind das keine liberalen Ansichten, sondern die gleiche reaktionäre Ideologie, wie sie bei anderen islamistischen Gruppierungen vorliegt. In letzter Konsequenz vertritt die Ahmadiyya eben diese islamische Ideologie.
Den wesentlichen Kern macht dabei die Familie aus. Sie dient als soziale Kontrollinstanz und garantiert, neben den propagierten Rollenbildern, die Abschottung der Gemeinschaft, die ständige Selbstkontrolle bis hin zur Selbstgeiselung und der Entsagung der weltlichen Verlockungen.“
Alles muss man scheinbar wirklich selber machen!
Die linken Akteure Erfurts haben einmal mehr gezeigt, dass sie sich lieber mit denen gemein machen, die genauso Bezugspunkt ihrer Kritik sein müssten. Doch statt die Ahmadiyya zum Gegenstand der eigenen (feministischen) Kritik zu machen, oder zumindest bei allgemeiner Ahnunglosigkeit wenigstens so viel Anstand zu besitzen die Klappe zu halten, mobilisiert man gemeinsam mit der Erfurter Ahmadiyya zu einer Kundgebung. Auch wenn sich später ein Teil der Leute mittels einer „Sponti“ von der Kundgebung absetzten, eine inhaltliche Distanzierung fand keine statt, die Außenwirkung ist die selbe. Der vergangene Freitag hat wieder einmal die Notwendigkeit aufgezeigt, dass es an den Wenigen hängt, deren Kritik nicht durch einen antirassistischen Konsens vernebelt ist. Denn auf Erfurts Linke scheint kein Verlass zu sein, wenn es darum geht die Selbstbestimmung von Frauen und sexuellen Minderheiten gegenüber reaktionären Glaubensgemeinschaften zu verteidigen. Wer es noch ernstmeint mit einer feministischen Kritik sollte sich überlegen, ob solche Akteure wirklich noch Bündnispartner sein können und ob diese nicht als das enttarnt werden müssen was sie sind: linke Phrasendrescher und Verräter einer Kritik an menschenverachtenden Verhältnissen.
Als Linke lässt man sich nur ungern die Deutungshoheit nehmen, wer “patritotischer Demokrat” ist und wer nicht, da wird auch der Beitrag des Anti-Rassismus-Ideologen Nasir Ahmad geteilt: